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Frauen-Geschichten

Kästner und die "Frauen" – dieses Thema beschäftigte uns während des Projekts immer wieder... Wie mein Musikerkollege Benedikt feststellte, ist in "unserer Hausapotheke" das einzige Gedicht, dem ein Happy End vergönnt wurde, das "Moderne Märchen" – alle anderen Liebesgedichte sind doch eher melancholischer Natur. Und das ging uns beim Vertonen und Visualisieren manchmal ans Gemüt.

Um sich ein bisschen in Kästner hineinversetzen zu können, sind ein paar Infos über das besondere Verhältnis von Kästner zu seiner Mutter Ida sicher hilfreich:

Ida Kästner war eine intelligente, energiegeladene Frau aus kleinen Verhältnissen, die ihrem Sohn und sich eine bessere Zukunft wünschte. Dafür rackerte sie sich ab, und nahm vieles in Kauf. Sie besaß  die uneingeschränkte Liebe, Loyalität und Achtung ihres Sohnes.

Leider gab es bei all dieser ehrgeizigen Opferbereitschaft eine weitere Komponente:
Kästner berichtet, dass er als Junge manchmal Zettel auf dem Küchentisch vorfand: "Such mich nicht!" oder "Leb wohl mein lieber Junge" und dass er dann verzweifelt durch die Stadt irrte, um seine Mutter wiederzufinden, die willenlos und gestört umherirrte  – wie ich meine, eine ziemlich schlimme Situation für ein Kind.

Dennoch blieb der Kontakt zwischen den beiden, auch später, sehr eng.  
Der Vater hingegen führte mehr ein Schattendasein in dieser kleinen Familie.


Es wundert nicht, dass der erwachsene Kästner sich später mit Liebesbeziehungen schwer tat. In seiner Lyrik finden sich oft bestimmte männliche Typen: auf der einen Seite zwar sehr einfühlsam auf der anderen Seite kühl und abweisend – die Frauen meist ratlos daneben.

Aber gerade diese Kommunikationslosigkeit unter Paaren hat nichts an Aktualität verloren. Denkt man an heutige Beziehungen, die mit einer SMS beendet werden, so scheint sich vielleicht doch nicht so viel geändert zu haben – oder doch?

Auf jeden Fall zählt die "Sachliche Romanze" für mich zu den wunderbarsten Gedichten Kästners – zeitlos wie Glas – und auch die Einfühlsamkeit in dem Gedicht "Plädoyer einer Frau" hat mich sehr berührt.


Fotografie Ida und Erich sowie zitierter Text aus: Erich Kästner, Leben und Werk, Helga Bemmann, Ullstein-Verlag