„Mit größerer Majestät hat noch nie ein Verstand stillgestanden.“
Aber wenn man die Aphorismen von Georg Christoph Lichtenberg liest, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Verstand still steht, eher gering.
Im Gegenteil: Ich las in Kneipen, auf der Reise und abends im Bett und verbrachte hellwache Nächte mit den Aphorismen. Selten habe ich mit
so großer Freude kreuz und quer gedacht. Vieles erschließt sich nicht unbedingt beim ersten Lesen, aber man weiß, „das hat was" – und dann denkt man eben weiter drüber nach,
bis es „ping!" macht.
Wir hatten auf jeden Fall viel Spaß miteinander: Lichtenberg, Kupferberg und ich.
Georg Christoph Lichtenberg, siebzehntes und jüngstes Kind des protestantischen Pfarrers Johann Conrad Lichtenberg, verleiht auch heute noch dem kleinen Ort Ober-Ramstadt einen
besonderen Glanz, auch wenn die Familie später nach Darmstadt zog.
Anfangs erhielt Lichtenberg Privatunterricht bei seinen Eltern, später besuchte er das Darmstädter Pädagog. Leider litt
Lichtenberg an einer Wirbelsäulenverkrümmung, die zu einem Buckel, geringer Körpergröße und später auch zu Atemproblemen führte. Das konnte aber der wachen Intelligenz Lichtenbergs nichts
anhaben. Er erhielt ein Stipendium für ein Studium in Göttingen und verbrachte zwei längere Aufenthalte in England. Dank seines Charmes und seines Scharfsinns war er
europaweit als Gelehrter anerkannt. Während seiner Professur in Göttingen erfreute er Studenten und interessierte Mitbürger mit seinen lebhaften Experimentalvorlesungen. 1777 entdeckte er auf dem Staub einer Isolatorplatte des Elektrophors sternförmige Muster, die als Lichtenberg-Figuren
bezeichnet werden. Und er hatte eine hohe Affinität zu Blitzen: Er führte als erster den von Benjamin Franklin erfundenen Blitzableiter
in Deutschland ein und brachte voller Begeisterung einen Blitzableiter an seinem Göttinger Gartenhaus an.
Heute ist Lichtenberg jedoch eher durch seine Aphorismen bekannt. Seine körperliche Behinderung sensibilisierte ihn in außergewöhnlichem Maße. Seine Beobachtungsgabe richtete er nicht nur auf naturwissenschaftliche Erscheinungen, sondern auch auf die Umwelt und seine Mitmenschen. In meist kurzen Texten schrieb er seine Beobachtungen in den sogenannten „Sudelbüchern" nieder, die erst nach seinem Tod veröffentlicht wurden.
Eigentlich kann man die meisten Aphorismen gar nicht so einfach illustrieren, weil sie so hintergündig sind. Aber ich konnte es dann doch nicht lassen und habe ein paar für das Kalenderblatt umgesetzt:
„Hinten hat er einen falschen Zopf eingebunden und vornen ein frommes Gesicht, das nicht viel echter war, auch zuweilen wie jener bei heftigen Bewegungen ausfiel“
„Fein war er eigentlich nicht, allein er verstund doch die Kunst, wenn er es bedurfte, zuweilen auf seinen Nebenmenschen zu reiten.“
„Zeit urbar machen“
„Schlappherzigkeit“
Die Arbeit am Kalenderblatt von Lichtenberg war für mich eine wunderbare Zeit.
Dafür lieber Christoph meinen herzlichsten Dank!